Wie kam es zur Trennung von Philosophie und Psychologie? Wo stehen wir heute? Wie ist es um die Zukunft dieser Diskussion bestellt? Margret Kaiser-el-Safti und Werner Loh geben Antworten.

Margret Kaiser-el-Safti
Werner Loh

Der Psychologismus-Streit erregte im deutschen Wissen-schaftsdiskurs keineswegs die Breitenwirkung wie der im 19. Jahrhundert durch die Lehre Charles Darwins ausgelöste Darwinismus-Streit oder der Materialismus-Streit, in denen ideologische und religiöse Kontroversen mit neuen Wissenschaftsentwicklungen ausgetragen wurden. Die zum Teil wesentlich subtileren und nicht leicht zu durchschauenden theoretischen Hintergründe sowie die Motive der am Psychologismus-Streit hauptsächlich Beteiligten wurden bis heute nicht hinsichtlich der historisch-systematischen Grundlagen klärungsförderlich untersucht. „Psychologismus“ als pejorative Bezeichnung für einen (angeblich) unangemessenen Wahrheits- und Geltungsanspruch der empirischen Psychologie wurde erstmals in der Ära des Neukantianismus verwendet, und erreichte einen Höhepunkt in der antipsychologistischen Einstellung des Logikers Gottlob Frege und des Philosophen Edmund Husserl. Frege wie Husserl forderten eine strikte Trennung zwischen der empirischen Psychologie als „Tatsachenwissenschaft“ und den formalen Wissenschaften Mathematik respektive Logik, die allein Anspruch auf Wahrheit, Allgemeingültigkeit und Objektivität zu machen hätten. Das Psychologismusverbot erstreckte sich dann auch noch auf Geltungs- und Grundlagenfragen der philosophischen Ethik und Ästhetik, die von psychologischen Methoden „rein“ gehalten werden sollten.

In gängiger historischer Perspektive provozierte der Antipsychologismus die Trennung der Psychologie von der Philosophie und beförderte letztlich auch die institutionelle Separierung. Bis heute behaupten Vertreter der Philosophie, die Gründe für diese Trennung seien als schlüssig und in sich selbst gerechtfertigt anzusehen. Tatsächlich weisen die erkenntnis-theoretischen Prämissen des Antipsychologismus nicht die unterstellte begriffliche Klarheit auf, sondern sind als durchaus vieldeutig zu problematisieren; dementsprechend müssen Hintergründe des Streites neu aufgerollt werden, wenn der eigentlichen Bedeutung der Wissenschaftsgeschichte der Psychologie und Philosophie vor dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in ihrer phänomenologischen Variante, Gerechtigkeit wiederfahren soll, denn diese Hintergründe haben Auswirkungen bis in die Gegenwart. Die wissenschaftliche Psychologie nahm in Deutschland eine Entwicklung, die in Frontstellung zur Philosophie die naturwissenschaftlich-experimentelle Forschung überbetonte und, ihre wissenschaftliche Legitimation allein in methodischer Ausdifferenzierung suchend, auf eine Gegenstandsbestimmung glaubte verzichten zu können. Die „Psychologie ohne Seele“ leidet aber ebenso wie der Antipsychologismus an epistemischen Defiziten, die aufgearbeitet werden müssten.

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Psychologismus-Kontroverse.pdf